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Von Rhythmen und guten Mustern, stoischen Wiederholunen und unreflektierten Eintaktungen.
Von Rechenvorgängen nach bestimmten, sich wiederholenden Schemata, von eindeutigen Handlungsvorschriften und definierten Einzelschritten.
Algorithmen sind Verfahren zur schrittweisen Umformung von Zeichenreihen. Algorithmen sind komplex. Trotzdem: Bei der Problemlösung wird eine bestimmte Eingabe in eine bestimmte Ausgabe überführt. Auch, wenn sie in menschlicher Sprache formuliert werden können.
Die Ausstellung wirft einen Blick auf diese Schritte.
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Teilnehmende Künstler:innen:
Eva Lause, falk von traubenberg aka falk.brvt, Helge H. Paulsen, Johann Walther Seidensticker, Lana Bragin, Maren Schimmer, Mathias Will, Polina Kovalenko, Richard Welz, Rolf Naedler, Sven Seddig, Tobias Becker, Wolf Martens, Yuri Akbalkan
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In den Linolschnitten von SVEN SEDDIG wächst aus kurzen, sich verzweigenden Strichen (bzw. Schnitten) ein Geflecht, das die gesamte Bildfläche überzieht. Jeder Strich ist mit allen anderen verbunden. In klar definierten Zeitintervallen erfolgt jede Verzweigung nach einem inneren Algorithmus, der Länge und Winkel variiert. Dieser Algorithmus ist keine abstrakte Berechnung, sondern er zeigt sich als körperlicher Vollzug. Aus ihm entsteht eine selbstähnliche, aber immer neue Struktur – sie erinnert an Wachstum, Wurzeln, Adern oder Netzwerke. Handabzüge mit schwarzer Farbe auf Vorsatzpapier bringen schliesslich eine zweite Ebene hervor: je nach Farbauftrag und Druckkraft legt sich eine weitere, unberechenbare Struktur über das Geflecht. So wie sich die Verzweigungen innerhalb einer Platte fortsetzen und genau acht mal abgezogen werden, setzen sie sich von Platte zu Platte fort und es wächst eine Serie mit offenem Ende, deren Erstellung in Zeit, Material und Gewicht der Linoleumspäne genau protokolliert wird.
Analog dazu kommen wir zum Stricken als einen analogen Algorithmus: Reihe für Reihe entstehen durch Wiederholung und Rhythmus vorhersehbare Formen. Wird das Schema gebrochen, wird etwas Neues erzeugt und organische, unerwartete Strukturen können entstehen. Die gestrickten Objekte von LANA BRAGIN bewegen sich genau in diesem Spannungsfeld zwischen Berechenbarkeit und Störung.
Mit TOBIAS BECKER kommen wir zu digitalen Algorythmen – allerdings ganz langsam und erst zum Schluss. „The Discovery of Velocity“, eine Videocollage über den britischen Polarforscher John Franklin, nimmt die Betrachtenden mit auf eine Entdeckungsreise in die Arktis. In einer Mischung aus historischen und zeitgenössischen fotografischen Techniken – von der Daguerreotypie bis zu KI-Bildern – folgt die Arbeit einer Expedition Franklins bis zu ihrem rätselhaften Ende. Dabei wird seine langsame, detaillierte Wahrnehmung zunehmend von einer immer schneller werdenden Welt überfordert. Eine visuelle Reflexion über Entdeckergeist, Wahrnehmung und die Geschwindigkeit unserer Zeit.
WOLF MARTENS interessiert, was der Zufall hervorbringt: die geformten Drahtobjekte aus der Serie „Grafische Plastik 1-12“ sind Fundstücke von Hamburgs Straßen. Schwarz grundiert und auf neutralweißen Bildträgern präsentiert, scheinen diese auf ihre zeichenhaft-mendelnden Form reduzierten Sektflaschenverschlüsse ein eigenes semiotisches System zu bilden.
Im Begleitvideo „Making-of Grafische Plastik“ wird der Entstehungsprozess durch das Überfahren mit einem PKW nachgestellt. Echte Streetart.
EVA LAUSE erforscht wieder die ästhetische Wirkung der Linie. In ihren autonomen Zeichnungen spielt sie mit einem selbst erstellten Regelwerk und entwickelt so Zeichenreihen, bei denen sich von Werk zu Werk eine Komponente und in Folge dessen die Bildwirkung verändert. Aus den vielen freihändig mit Tusche und Feder gezogenen Linien und der ständigen Repetition entstehen abfolgende Reihen zu unterschiedlichen Spannungsfeldern.
HELGE H. PAULSEN denkt gerne nach und reduziert sich im Ergebnis auf ein Bild. In diesem Fall über Thinktanks. Sie werden dazu geschaffen, um Probleme zu lösen, sie aus verschiedenen Blickwinkeln zu denken. Es gibt keine Denk-/Handlungsvorschrift wie beim Algorithmus. Sondern das Denken ist hier frei, sozusagen ein Gegenentwurf zum Algorithmus. Es entsteht Kreativität.
Zur Veranschaulichung wählt er – Brot.
Auch abstrakt, aber sinnlich mit der Wahrnehmung arbeitet JOHANN WALTHER SEIDENSTICKER. Er kreiert mit Hilfe der fraktalen Gemotrie Formeln, die Verhältnisse nachzeichnen. Das ausgestellte Fraktal ist aus einer Serie mit einer numerischen Variable entnommen, die Variable ist hier 0,414243. Zu sehen sind psychedelische, sich zu bewegen scheinende, bunte und geometrische Formen auf dem Grund des Bodens der Galerie.
„Der weiße Mann“ ist eine seit über 20 Jahren bestehende Performance-Serie von MATHIAS WILL. Bis zur Finissage wird stellvertretend der weisse Overall an der Wand hängen, für die er dann in der dreiteiligen Performance „It creates?“ unter den ablaufbestimmenden Anweisungen von ChatGPT 5.0 ein unvorhersehbares „Kunstwerk?“ erschaffen wird.
RICHARD WELZ‘ Arbeiten nivellieren performative, experimentelle sowie konzeptuelle Aspekte der Fotografie und konfrontieren mit Inhalten zu Bildwürdigkeit, Iteration, Ironie und der Infragestellung von konventionellen Normen und Werten. In „ITERATIVE FOTOGRAFIE“ realisiert er seinen Blick auf Materialien, die gewöhnlich einmalig verwendet werden. Die Stoffe werden mehrfach (das lateinische Wort iterare beschreibt wiederholende Vorgänge) formatfüllend gestreut, wobei jede Streuung ein Motiv ergibt. Eine Strategie der schrittweisen Annäherung an ein komplementiertes Bild durch wiederholtes Fotografieren.
In der Serie „move – berglandschaften“ nutzt FALK VON TRAUBENBERG aka falk.brvt einen Datenübertragungsfehler zwischen zwei Geräten als Gestaltungselement. Die klassische (digitale) Aufnahme wird magisch, auf undurchschaubare Art und Weise de- bzw neukonstruiert. Dahinter stecken klare mathematische Regeln, nur scheinen diese Regeln bei den beiden Geräten nicht die gleichen zu sein. So kommt es bei diesen Übertragungen zu Missverständnissen, Fehlinterpretationen und Leerstellen, aber grundsätzlich wird das Konzept eines digital lesbaren Bildes beibehalten.
Die Arbeiten von MAREN SCHIMMER kreisen um Rhythmus und Wiederholung: Zeichenreihen, Raster und sich wiederholende Formen entwickeln dabei eine Eigendynamik, die zwischen Ordnung und Abweichung, Takt und Aus-dem-Takt-Sein oszilliert. Ornamentale Strukturen und räumliche Tiefe, Vertrautheit und Irritation beherrschen das Bild. Zwischen dem verpflichtenden Rhythmus der Wiederholung und seiner poetischen Brechung spannen ihre Werke ein Feld als Resonanzraum zwischen System und Störung auf.
Die Installation „5.1.1::installation_mode“ von YURI AKBALKAN geht auf seine Komposition 5.1.1 zurück, die ursprünglich für fünf analoge und zwei digitale Tongeneratoren erstellt wurde. Der achtkanalige digitale Synthesizer, auf dem die Installation läuft, basiert auf einer Hardware-Software-Plattform, die Piezoelemente als Klangquellen nutzt und mit zwei Mikrocontrollern arbeitet. Ursprünglich in Zusammenarbeit mit Sergey Kostyrko für das interdisziplinäre Projekt ПУСТ* entwickelt, wurde er seither in Performance-Kontexten eingesetzt und wird nun erstmals im Installationsmodus im Rahmen einer Gruppenausstellung präsentiert.
POLINA KOVALENKO erforscht die fragile Grenze zwischen Mensch und Maschine. In minimalistischen Strukturen, strengen Rhythmen und präziser Wiederholung entfaltet sich ein choreografisches Spiel von Annäherung und Fremdheit. Inspiriert von Choreographien der Postmoderne entwickelt sie eine zeitgenössische Umsetzung, die Mechanik und Körperlichkeit verschränkt. „Are we machines or emotional beings?“ wird während der Vernissage performt, ohne eine Bühnensituation zu bieten, sondern zwischen den Exponaten der Gruppenausstellung als Teil dieser.
Algorithmus erzeugt bei ROLF NAEDLER Widerstand, weil er das menschliche freie Denken in Frage stellt. Das ‚hin und her‘ und ‚doch nicht‘ oder ‚ganz anders‘ kennt er nicht. Naedler‘s Bild „The Unfinished Finished“, was seit seiner Entstehung 2002 noch nie gezeigt wurde, verdeutlicht den Zustand, wenn Muster Kontrollverlust erleiden, das Überlagernde auswuchert und zu einem Suchen, aber auch zum Zweifeln einladen.
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Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an; wenn Sie Durst haben, auch. Wir bieten nichts an, was wir nicht auch selber trinken würden, Getränke sind gegen Spende erhältlich. Der Eintritt ist frei, weil jeder Zugang zu Kultur haben soll. Sie dürfen allerdings gerne welchen spenden, wenn Sie den sonst auch honorieren. Wir konzipieren diese Ausstellungen und betreiben diesen Raum, weil wir es wichtig finden, dass es konstante und anspruchsvolle Positionen zwischen staatlichen Museen und kommerziellen Galerien einerseits und wechselnden Plattformen für Nachwuchskunst andererseits gibt - zum einen, um Kunstschaffende besser zu fördern, zum anderen, um eine lebendigere Kultur für den Dialog von Kunst und Gesellschaft zu schaffen. Wir mischen Etablierte mit Beginnenden. Was uns interessiert, ist die Qualität und das Potential. Wenn sie diese Arbeit unterstützen möchten, sprechen sie uns gerne an - oder empfehlen uns einfach weiter.
Die Erzählungen dieser Ausstellung wurden geschaffen von den Künstler:innen. Die Textredaktion hatte Gerald Chors.
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Laufzeit:
Donnerstag, 30. Oktober 2025 bis Sonntag, 30. November 2025
Öffnungszeiten:
Samstags, Sonntags, Montags und Dienstags 18 - 21 Uhr (und n. V.)
Performance:
zur Finissage
Vernissage:
Donnerstag, 30.10.2025 um 19 Uhr
Finissage:
Sonntag, 30.12.2025 11 - 16 Uhr
Mit 3-teiliger Performance um 14, 14.30 und 15 Uhr
Ort:
xpon-art gallery
Repsoldstraße 45
20097 Hamburg
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Über abweichende Öffnungszeiten informieren wir Sie auf unserer Homepage, unserem Instagram Account @xponartgallery und unserer Facebook Seite facebook.com/xponart
Nach der Ausstellung werden, insbesondere auch für diejenigen interessant, denen ein Besuch nicht möglich ist, 360°-Ansichten auf der Homepage eingepflegt.
Wir bitten, trotz allem an Corona und die Grippewelle zu denken und sich entsprechend zu verhalten.
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Mit freundlicher Unterstützung der Behörde für Kultur und Medien Hamburg
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Preisinformation:
Der Eintritt ist frei, weil jeder Zugang zu Kultur haben soll. Sie dürfen allerdings gerne welchen spenden, wenn Sie den sonst auch honorieren. Getränke sind gegen Spende erhältlich. Wir bieten nichts an, was wir nicht auch selber trinken würden. Wir konzipieren diese Ausstellungen und betreiben diesen Raum, weil wir es wichtig finden, dass es konstante und anspruchsvolle Positionen zwischen staatlichen Museen und kommerziellen Galerien einerseits und wechselnden Plattformen für Nachwuchskunst andererseits gibt - zum einen, um noch nicht etablierte Kunstschaffende besser zu fördern, und zum anderen, um eine lebendigere Kultur für die Kommunikation zwischen Kunst und Öffentlichkeit zu schaffen.