Wolf Grünke (1926-1997)
Lutz Grünke
Vorab – die Erwartung einer Dokumentation des Lebens in der DDR und im vereinigten Deutschland wird nicht erfüllt. Die Auswahl von Vater und Sohn, Wolf und Lutz Grünke, für die Galerie des Kunstvereins zu Rostock, sind subjektive Momentaufnahmen der Realität.
Wolf Grünke, geboren 1927, gehört zu den bekannten Vertetern der Amateurfotografie in der DDR, beginnend in den 1950er-Jahren im damaligen Bezirk Rostock. International bekannt wurde der von ihm gegründete „fotoclub binz“, er war Initiator der Bezirksfotoschauen und nicht zuletzt Begründer der Foto-Biennale der Ostsee-Anrainerstaaten „ifo-scanbaltic“. Hauptberuflich Lehrer, umgab ihn Realität, die ihn fotografisch interessierte. Menschen, Landschaften, Arbeit, Situationen in der Schule Motivbereiche. Seine Fotografien wurden national und international gezeigt und ausgezeichnet, in den 1960er-Jahren erhielt er den Titel AFIAP der Fédération Internationale de l‘Art Photographique.
Seine Fotografie für die regionale Presse war systembedingt meist Abbild scheinbarer gesellschaftlicher Fortschritte. Daneben Motive, fast nebenbei gesehen mit inzwischen ikonischem Wert. Bei der Sichtung des riesigen Archivs von Wolf Grünke tauchen neben den Negativen von Fotoaufträgen diese überraschenden Arbeiten auf mit großer Intensität durch den zeitlichen Abstand. Die scheinbare Beiläufigkeit, das Normale im Umfeld – die oft bemühte „Welt vor seiner Tür“, das war sein Kanon.
Die Wertschätzung seiner Fotografie erfuhr er 1985, als er zu den zwei „Amateur“fotografen gehörte, die zu der Ausstellung „Frühe Bilder“ eingeladen wurde, der bedeutenden Retrospektive der Fotografie in der DDR nach 1945.
Bis zu seinem Tod 1997 war Wolf Grünke fotografisch aktiv, zog sich aber von der Auftragsfotografie zurück und realisierte seine Projekte.
Lutz Grünke, der Sohn, hatte durch seinen Vater und den „fotoclub binz“ früh Kontakt mit der Fotografie. Er studierte Bauingenieurwesen, arbeitete mehrere Jahre bei Ulrich Müther, dem Schalenbaumeister in Binz. Neben seiner Arbeit hatte er Prozesse und Bauwerke fotografisch zu dokumentieren. Ab 1986 mit der Aufnahme in den Verband Bildender Künstler der DDR konnte er freiberuflich arbeiten. Zu seinen Fotografien, vor allem aus den späten 1980er-Jahren, schrieb Christoph Tannert: „... im Rückblick erscheinen diese Bilder geradezu als Beweisunterlagen für ein soziales Klima, das sich melancholisch-triumphal der Hoffnungslosigkeit ergab.“ Die Porträts, zumeist im Umfeld, thematisch begleitet von Arbeitsräumen, urbanen Irritationen, Situationen und scheinbar verlassenen Arealen.
Menschenarme oder -leere Landschaften bewegen ihn auch heute noch: „... diese existentielle Begegnung des Einzelnen mit dem Raum seiner Bewegungsmöglichkeit ermöglichen Grünkes Fotografien, indem sie nicht den Menschen selber, sondern nur die Spuren seiner Aktivität abbilden...”, so Susanne Burmester.
Waren einst „Plätze am Meer“ an der Ostsee zu finden, sind inzwischen andere Meere hinzugekommen, zusammen mit Orten an den jeweiligen Küsten. Viele Arbeiten sind architektonisch streng, haben eine ausgeprägte Bildstabilität. Bei allem Drang in die Ferne bleibt Lutz Grünke, der gebürtige Binzer, immer mit den Plätzen auf seiner Heimatinsel Rügen verbunden.
Das bei beiden Fotografen unterschiedliche Herangehen an das fotografische Objekt ermöglicht in dieser Ausstellung spannende Vergleiche, die nicht nur durch die Distanz der Jahrzehnte geprägt ist. Zusammen mit den reportagehaften Fotografien sind es Bildreihen, die neben zeitlichen auch soziale Aspekte übermitteln.
So bleiben die zwei Sichtweisen gleichwertig nebeneinander und ermöglichen dem Betrachter, bei so mancher Ironie, eine intensive Auseinandersetzung mit einer bekannt erscheinenden Realität.