Weltliteratur entsteht, indem die Gedichte, Lieder, Erzählungen wandern. Aus der arabischen Poesie kam „Der Asra“ in Heinrich Heines „Romanzero“. Der bleiche junge Mann machte dort Station, wanderte weiter ins Bosnien des 19. Jahrhunderts, verschenkte im zwanzigsten Jahrhundert seinen Namen an eine kroatische Rockband, erlebte die Belagerung Sarajevos und tauchte jüngst unvermutet in einem deutschen Sommerfilm des Jahres 2023 auf.
Lothar Müller spürt dem Vor- und Nachleben von Heines „Der Asra“ bei Stendhal, Dževad Karahasan und Saša Stanišić nach, zeigt Ausschnitte aus Christian Petzold Film „Roter Himmel“ und singt ein Loblied auf die Kunst der Verjüngung von Gedichten: die Rezitation.
Lothar Müller, geboren 1954 in Dortmund, Kultur- und Literaturwissenschaftler, bis 2020 Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung mit Sitz in Berlin, ist Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Für seine feuilletonistische Arbeit wurde er u. a. mit dem Alfred-Kerr-Preis und dem Johann-Heinrich-Merck-Preis ausgezeichnet.