"Sa w wè a se pa sa" (Was man sieht, ist nicht, was es ist. Haitianisches Sprichwort)
Kann das Werk einer deutschen Fotografin ein Bild von Haiti vermitteln, das nicht von Stereotypen geprägt ist? Die Ausstellung "Out of Focus" unternimmt einen Versuch, in einem multimedialen, sinnlichen Environment die Vielschichtigkeit Haitis sichtbar zu machen und die Komplexität des Werks von Leonore Mau (1916-2013) zu zeigen.
Leonore Mau reiste in den 1970er Jahren während der Diktatur von Jean-Claude "Baby Doc" Duvalier nach Haiti. Sie war gemeinsam mit dem Schriftsteller Hubert Fichte (1935–1986) unterwegs. Die Reise war Teil eines langjährigen Rechercheprojekts zu afrodiasporischen Religionen. Das Projekt führte Mau und Fichte unter anderem nach Benin, Brasilien, Grenada, Senegal und Venezuela. Maus Fotografien wurden in den Fotobüchern "Xango" (1976) und "Petersilie" (1980) und in Reisereportagen in vielen deutschen Zeitschriften publiziert. Der größte Teil wurde jedoch bisher weder veröffentlicht noch in Ausstellungen gezeigt, und befindet sich im Nachlass der Fotografin in der bpk-Bildagentur in Berlin.
Während Maus Fotobücher auch Fotografien beinhalten, die das von Vorurteilen geprägte Bild von Haiti und Vodou bestätigen, finden sich in ihrem umfangreichen Nachlass Aufnahmen, in denen alltägliches Leben, Gemeinschaft, Diktatur, Spiritualität und Tourismus nebeneinander existieren. Beim Betrachten der Bilder stellen sich jedoch auch Fragen nach Ethik, Repräsentation, Exotismus und Extraktivismus. Wie können wir sie betrachten, ohne Machtverhältnisse zu reproduzieren? Es geht um einen Umgang mit solchen Fotografien, der Ambivalenz zulässt und in dem Kritik und Schönheit kein Widerspruch sind.
Gemeinsam mit der Kulturanthropologin und Künstlerin Gina Athena Ulysse, der Künstlerin und Filmemacherin Madafi Pierre, dem Houngan (Priester), Musiker und Generaldirektor des Bureau National d'Ethnologie in Port-au-Prince Erol Josué und weiteren Personen und deren unterschiedlichen Expertisen entwickelt die Ausstellung einen dialogischen, kritischen und dekolonialen Umgang mit Maus Bildern.
Die Ausstellung im Lenbachhaus ist eine künstlerische Weiterentwicklung des Forschungsprojekts "Out of Focus" von Dora Imhof und dem Künstlerinnenkollektiv U5 an der Universität Zürich. Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche viersprachige, von Dora Imhof, Gina Athena Ulysse und U5 herausgegebene Publikation im Verlag Hatje Cantz.
Öffentliches Programm
Das öffentliche Programm ist ein zentraler Teil der Ausstellung "Out of Focus". Es gibt den verschiedenen Perspektiven auf die Fotografien und dem Dialog über den Umgang mit ihnen Raum. Im eigens für die Ausstellung entwickelten experimentellen Gesprächsformat "Relational Viewing" steht das Betrachten und Zeigen von Fotografien im Zentrum.
4. November 2025
17.30-18.30 Uhr Relational Viewing mit Dora Imhof, U5 und Gäst*innen
19.30 Uhr Performance Erol Josué
16. Januar 2026
17.30-18.30 Uhr Relational Viewing mit Dora Imhof, U5 und Gäst*innen
19.30 Uhr Reading Kettly Mars
20.30 Uhr Filmscreening Nathalie David, "Diese Photographin heißt Leonore Mau" (2005)
13. Februar 2026
17.30-18.30 Uhr Relational Viewing mit Dora Imhof, U5 und Gäst*innen
19.30 Uhr Vortrag Kyrah Malika Daniels
20.30 Uhr Performance Gina Athena Ulysse
In Kooperation mit der S. Fischer Stiftung und der bpk-Bildagentur, Berlin
Mit freundlicher Unterstützung des Förderverein Lenbachhaus e.V., Pro Helvetia, Art Mentor Foundation Lucerne
Preisinformation:
6,00 € (ermäßigt) / 10,00 €