Das Bild der Galerie hat sich einmal mehr vollständig verwandelt: Noch vor wenigen Tagen war “Mother Madonna Me” zu sehen, eine vielfältige und international besetzte Ausstellung mit dem Thema aktueller Mutterbilder, und jetzt präsentiert sich die Galerie mit einer äußerst minimalistischen Ausstellung mit klaren Kanten und Farbflächen. Es ist gleich offensichtlich, dass Kreitner und Sauermann in der Folge der konkreten Kunst arbeiten und hier keine Botschaften jenseits des puren Kunstobjektes vermittelt werden.
Es ist der dritte Ausstellungsdialog in diesem Jahr, in denen jeweils zwei KünstlerInnen zusammengebracht werden, die vorher noch nicht zusammen ausgestellt haben. In diesem Fall stimmt das nicht ganz, denn Kreitner und Sauermann waren gemeinsam schon in Gruppenausstellungen der kürzlich verstorbenen Galeristin Linde Hollinger in Ladenburg zu sehen. Es war der Galerie dennoch schon länger ein Anliegen, die Werke dieser beiden KünstlerInnen in einer Doppelausstellung zu verdichten, was nun in diesen vorzüglichen Ausstellungsdialog mündete.
Im Galerieraum sind die beide Positionen einfach zu unterscheiden: Von Siegfried Kreitner sind die Objekte im Raum, von Annette Sauermann jene an der Wand. Eine weitere Unterscheidung ist, dass alle Objekte von Kreitner in Bewegung und beleuchtet sind, sobald der Strom eingeschaltet ist. Bewegung findet sich indirekt auch in den Objekten von Annette Sauermann, denn bei ihr spielt das Umgebungslicht eine entscheidende Rolle und das ist natürlich in fortlaufender Bewegung, ganz ohne Motoren. Und auch ihr Licht kommt ganz ohne elektrischen Strom aus und wird allein durch das Umgebungslicht und die fluoreszierenden Materialien erzeugt.
Siegfried Kreitner
Der niederbayrische Künstler macht kinetische Skulpturen in einer Präzision, die einzigartig ist. Er zählt in diesem Bereich zu den wichtigsten Künstlern in Deutschland, und kann auf viele Ausstellungen zurückblicken, darunter zahlreiche institutionelle. Seine Werke finden sich in renommierten Sammlungen, wie z.B. dem Museum Ritter in Waldenbuch und der Sammlung Peter C. Ruppert in Ingolstadt.
Skurrile Maschinen stehen im Raum, ihre Bewegungen sind sehr langsam, kaum wahrnehmbar. Wofür sind sie und was können sie? Unter diesen Fragen entziehen sie sich jedem Nutzen und stehen schlicht als Sinnbilder mechanischer oder physikalischer Gesetzmäßigkeiten für sich. Präzise greifen die Mechaniken ineinander, und durchlaufen einen durchdachten Bewegungszyklus.
In der Ausstellung werden drei Werkgruppen gezeigt: Da sind zunächst die Werke mit den bewegten Neonlichtringen (Beispiel V 2014). Jeder Ring bewegt sich um seine starre Mittelachse langsam auf und nieder, vergleichbar einem Boot, das in den Wellen schwankt. An einem kurzen Punkt stehen alle Neonringe parallel übereinander, bevor sie wieder in scheinbar unregelmäßige gegenläufige Bewegungen übergehen: Ordnung und Chaos sind in diesem System vereint.
Als Beispiel einer zweiten Werkgruppe ist ein silberner Kubus (VII 2025) zu sehen, dessen Wände sich leicht hin und her verschieben und so den Blick auf ein mysteriöses blaues Licht im Inneren eröffnen. Aus der Entfernung erinnert es an eine märchenhafte Schatztruhe, aus der leuchtende Edelsteine oder eine magische Glaskugel blinkt. Es ist nicht zu sehen, was der Ursprung dieses Leuchtens ist. Die Betrachter fragen nach dem Wie und dem Warum – Neugierde und Suspense sind im Raum. Erst bei näherer Anschauung durch die sich öffnenden und schließenden Kanten offenbart sich das Geheimnis und eröffnet den Blick auf die Leuchtröhren und die Mechanik: Technik und Poesie vereinen sich in wunderbarer Weise.
Das dritte Beispiel ist eine gut zwei Meter hohe Arbeit (III 2022), bei der sich Farbtafeln mittels einer komplizierten Mechanik mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten drehen und gegeneinander verschieben. Die Ansicht ist in permanenter, scheinbar ungleichmäßiger, Veränderung und offenbart immer wieder neue Kompositionen und Farbklänge. Einzelne Ansichten erinnern an die Konstruktionen El Lissitzkys oder die klaren Farbgewichtungen Mondriaans, es bleibt aber kein statisches Bild, sondern es zeigt sich in zeitlicher Abfolge eine große Vielzahl solcher Bilder, die in einem einzigen Objekt vereinigt sind.
Die gesamte Mechanik des Objektes ist sichtbar, Motoren, Zahnräder, Netzteil und Kabel, und so versuchen wir dem Rhythmus und der wechselnden Anordnung physikalisch auf die Spur zu kommen. Kreitners Maschinen wirken, als könnten sie der modernen Robotikforschung entstammen, aber sie sind das genaue Gegenteil von Robotern, sie dienen nicht und sie erfüllen keinen Zweck. Kreitners mechanische Organismen sind autark, sie beschränken sich auf ihr Sosein, einzig abhängig vom elektrischen Strom.
Annette Sauermann
Den Objekten im Raum treten die Wandobjekte von Annette Sauermann gegenüber. Seit 35 Jahren ist die in Essen geborene Aachener Künstlerin mit ihrem Thema Licht künstlerisch unterwegs. Sie hatte bereits zahlreiche Ausstellungen in Europa und den USA. Daneben konnte sie vielfach Kunst-am-Bau-Projekte realisieren, zuletzt eine 6 Meter hohe Lichtstele am Uniklinikum Köln.
Ihre mehrteiligen Arbeiten in der Ausstellung bestehen aus einem Korpus und meist selbstleuchtenden monochromen Farbtafeln, die durch Transparenzen und Überschneidungen wiederum neue Farbfelder entstehen lassen. Die fluoreszierenden Kanten der Farbtafeln erzeugen scharfe Linien, die das Gesamtbild leuchtend konturieren.
Ihre größte Arbeit in der Ausstellung (Wandrelief o.T., Inv.-Nr. 19010) verweist durch die Verwendung von Beton noch auf eine frühere Werkstufe. In dieser Arbeit sind mehrere gelbe Tafeln und eine blaue zwischen zwei Betonblöcken eingefasst. Durch die Anordnung der Tafeln entstehen verschiedene gelbe Felder, ein großes blaues Feld und ein schmaler grüner Streifen. Die Felder sind durch die Kanten der Tafeln begrenzt, die feine senkrechte Linien zeichnen und das Bild vertikal staffeln. Darüberhinaus sind in der linken Bildhälfte zwei transparente Streifen über die gesamte Bildhöhe gespannt, die diese Struktur weiter unterstützen und ihm weitere Bildebene hinzufügen. Beton, Plexiglas und Lichtfilter verwendet Annette Sauermann, aber das eigentliche Werkmaterial ist das Licht, das sie hier führt und durch die Anordnung der Tafeln und des Lichtfilters förmlich modelliert. Der Beton als lichtabsorbierendes Material schafft dabei oben und unten die körperlich spürbare Grenze des Bildes.
Auf diese Grenze verzichtet sie in den neueren Arbeiten, die sie “Lighttransformer” (Lichtwandler) nennt. Beispielsweise in Sauermanns neuester Arbeit, Lighttransformer 1A, Kreis und Quadrat, soll sich das Licht in alle Richtungen über den Bildkörper hinaus entfalten. Eine kreisförmige verschränkt sich mit einer quadratischen Grundform, aber diese sind durch die Verwendung des weißen satinierten Materials auf der Wand eigentlich nur noch schemenhaft zu erkennen. In der Schnittmenge von Quadrat und Kreis aber überlagern sich kräftige sonnengelbe Kreise in verschiedenen Formaten, die quasi eine Lichtexplosion aus dem Innern heraus vollführen.
Die Verwendung einfachster unverfälschter Grundformen mit wenigen Farben und die Strukturierung durch leuchtende Linien ist ein durchgehender Topos im Schaffen von Annette Sauermann in den letzten Jahren. Die Ausstellung zeigt verschiedene weitere Arbeiten, in denen sie das mit veränderten Farben und Formaten durchdekliniert. Sauermann begibt sich gestalterisch auf die Suche nach den ursprünglichen Gesetzmäßigkeiten von Licht, Form und Farbe, wie es sicher auch schon andere vor ihr getan haben, beispielsweise Theo van Doesburgh oder Wassily Kandinsky, aber sie hat dabei eine Ausdrucksform gefunden, die in ihrer Materialität und ihrem minimalen Gestus einzigartig ist: Arbeiten von Annette Sauermann sind auf den ersten Blick erkennbar.
Der Titel der Ausstellung ist LICHTIMPULS und er ergibt sich aus dem vorher Gesagten: Bewegung und Licht sind die Hauptthemen, und diese beiden Motive sollen den Besuchern den Impuls geben, mit scharfem Blick hinzuschauen und einzigartige sinnliche Erfahrungen zu machen. So gelesen ist die Ausstellung im besten Sinne auch immersives Erleben.