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Zur anachronistischen Wiederkehr des Antiimperialismus – Manichäismus, Autoritarismus und Antisemitismus in roten Gruppen. Vortrag mit Luise Henckel

Das sagt der/die Veranstalter:in:

Gegenwärtig wird viel über die Wiederkehr linksautoritärer Gruppen spekuliert, deren Vokabular und Auftreten dem antiautoritären antifaschistischen Konsens des 21. Jahrhunderts diametral gegenübersteht. Angesichts der Jahrzehnte, die die aus jenen Reihen dröhnenden Slogans schon auf dem Buckel haben, mag einerseits die Hartnäckigkeit aber auch die scheinbare Attraktivität der antiimperialistischen Logik für eine junge Generation auf den ersten Blick vielleicht verwundern.

Allerdings gehört der Anachronismus zur Rhetorik des Antiimperialismus immer schon dazu: Bereits in der begriffsgeschichtlichen Hochphase der frühen 1970er Jahre hatte die bewegungslogische Selbstbezeichnung wenig mit der marxistischen Kritik am historischen Imperialismus zu tun, sondern war vielmehr bereits ein um seinen Analyseanspruch gebrachter Interpretationsbegriff für die zeitgenössische geopolitische Lage. Ironischerweise erscheint die heutige Verwendung noch einmal geschichtsvergessener, wenn gegenwärtige Kritik am Neo-Imperialismus durch bspw. China oder Russland in diesen Reihen völlig ausbleibt und stattdessen ein Manichäismus zwischen guten und schlechten Völkern wieder aufleben darf. Nicht fehlen darf außerdem eine Romantisierung der Arbeiterklasse und die Verkürzung von Staats- und Kapitalkritik auf personifizierte Welterklärungsansätze.

Dass sich damit antisemitische Tropen und Erlösungsvorstellungen tradieren, die bereits die Hinwendung der antiimperialistischen Linken zur Glorifizierung von Ethnizität begleitet hatten, bedarf keiner großen theoretischen Reflexionsleistung.  Allerdings bleibt dabei häufig unterbeleuchtet, dass der Antisemitismus im gegenwärtigen Antiimperialismus eben nicht nur mitgeschleppter Anachronismus ist, sondern auch – durch die Übernahme postmoderner Theorieversatzstücke und gegenwärtiger „Sloganisierung“ – Verarbeitung der aktuellen spätmodernen Verhältnisse, wenn auch in verkürzter Form.
Es ließe sich wohl diskutieren, ob wir es aktuell mit einer tatsächlichen  Wiederkehr solcher Neo-Guerillas zu tun haben oder die mitgeschleppten Ideologeme und Organisationsformen die Linke eigentlich nie ganz verlassen haben. Wäre die gegenwärtige Konjunktur damit nun Ausdruck linker Orientierungslosigkeit, Krisensymptom oder vielmehr Erfolgskonzept eines sich auf Kommodifizierbarkeit verstehenden Polit-Aktivismus ist, der sich nur noch in der Rhetorik als (links-)radikal und im Antisemitismus als real erweist?
Der Vortrag versucht die aktuellen Artikulationen des Linksautoritarismus – in seiner martialisch-männlichen sowie seiner kollektiv-kulturalistischen Ausdrucksform – historisch und gesellschaftlich nachzuvollziehen. Dabei soll die Erklärung für ihre Beharrsamkeit genauso im Vordergrund stehen, wie die Frage, was diese für eine gegenwärtige antifaschistische Theorie und Praxis bedeutet.

Luise Henckel hat Politikwissenschaft, Kulturwissenschaften und Politische Theorie studiert, arbeitet gegenwärtig am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main und promoviert an der Universität Halle zur jüdischen Emanzipation im 19. Jahrhundert. Sie publiziert und hält Vorträge zur frühen kritischen Theorie, materialistischen Staatstheorie und zum (linken) Antisemitismus.

Diese Veranstaltung findet im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus statt und wird gefördert durch den AStA der Uni Köln. Informationen zur Reihe sind unter https://www.instagram.com/bga_koeln und https://bga-koeln.tumblr.com zu finden. 

Location

Hörsaal VI, Hauptgebäude Uni Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln Albertus-Magnus-Platz 50923 Köln

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