Das sagt der/die Veranstalter:in:
„Als die COVID-Pandemie im Frühjahr 2020 die Kulturbetriebe lahmlegte, fanden meine Kollegin Marina und ich uns zwei Monate lang in einer fremden Wohnung wieder – mit dem Auftrag, für ein Staatstheater eine Webvideoserie zur „aktuellen Lage“ zu produzieren. Unvorbereitet und überfordert mussten wir improvisierend versuchen, dem künstlerisch Bedeutung zu geben, das zu begreifen wir noch gar nicht begonnen hatten.
Wir gaben uns Figuren-Namen, die unsere eigene Durchschnittlichkeit überzeichneten. „Sandra und Heiko“ sollten als sauber gegendertes, deutsches, in seiner Zweisamkeit eingesperrtes Paar unser Rahmen sein, um den mediatisierten Status Quo der Pandemie zu erkunden und seine affektiven Fluchtlinien zu kartieren. Wir installierten eine ständig streamende Überwachungskamera, einen Greenscreen, viel digitales Equipment – und uns selbst. Es gab zweifellos viel zu bespielen, aber wir mussten es in einem Zustand allgemein betäubender Anspannung tun: zwischen erhöhter Wachsamkeit gegenüber Körpern-als-Gefahr und einer Vielfalt technologischer Mittel zur (De/Re-)Inkarnation von Präsenz; zwischen unseren liberalisierten Cloud-Subjektivitäten und dem plötzlich sehr greifbaren Staat als Normalisierer des Ausnahmezustands; zwischen sich verschiebenden Vorstellungen von „innen“ und „außen“.
Unsere Arbeitsbedingungen begünstigten nicht die Produktion eines kohärenten Kunstwerks. Stattdessen führten sie zu einer Bricolage aus Formaten, Rhythmen und Beziehungsgefügen, die die verschiedenen Formen des Bewältigens und Bedeutens einzufangen versuchten, die „in der Luft lagen“. Die diskursiv dominierenden Themen waren Abstand, Übertragung und Ansteckung: atmosphärische Fragestellungen, die wir irgendwie durch unsere Körper kanalisieren mussten – jene Körper, die auch filmten, spielten und das Material schnitten. Wir glitten hin und her zwischen Computerarbeit, körperlicher Bewegung, Zoom-Calls, Teetrinken, Gaming, politischen Telegram-Gruppen, Nähen, Schießübungen, mehr Computerarbeit, drohendem Burnout und dem Beginn einer landesweiten Protestbewegung gegen die Pandemiemaßnahmen – jener Bewegung, die ein Jahr später in einem „Sturm“ auf das Reichstagsgebäude gipfelte, aber just in diesen Wochen vor einem Berliner Theater, nur 20 Minuten zu Fuß von unserer Wohnung entfernt, ihren Anfang nahm.
Anhand dessen, was wir damals produziert haben, möchte ich darüber nachdenken, wie künstlerische Forschungspraxis Körper als Durchleitungskanäle konfiguriert. Die unzuverlässige Zeugin, der unidentifizierte Dritte, die abtrünnige Agentin – eingefleischte Medien, die Gegenwärtiges als un-/erkennbar verarbeiten, es für andere und sich selbst un-/lesbar machen – als virtuelle Kontaktspuren, virale Politiken, affektives Broadcasting, verteilte Selbste, abwesendes Fleisch und schleimiges Jetzt.”
Preisinformation:
Platzvergabe „first come first serve“